Geradezu
wehmütig wurden die Abiturienten der Goetheschule zum Ende ihrer
offiziellen Verabschiedung. Mit dem Lied »Alte Schule, altes Haus« sagten
sie dem Gymnasium Lebewohl. Zuvor hatten sie selbst, aber auch die
Schulleitung und Hans-Helmut Kröger
als Festredner Bilanz gezogen, und dabei war viel Positives über diesen
Jahrgang zu hören.
Einbeck (ek).
»Damit die Augen sehen, müssen die Beine sich bewegen. Bleibt nicht
sitzen.« Diese Spruchweisheit aus dem afrikanischen Land Burkina
Faso setzte Oberstudiendirektor
Joachim Fischer an den Beginn seiner Ansprache. Der Jahrgang, der
verabschiedet werde, habe nicht nur besonders gute Leistungen gebracht,
sondern er habe auch durch sein Auftreten und sein Engagement in der
Schule viel Freude bereitet. Die Lehrer hätten versucht, den Abiturienten
die Augen zu öffnen, sie das Sehen zu lernen, und sie hätten auch
versucht zu zeigen, dass man die Beine
bewegen müsse. Dafür dankte der Schulleiter dem Kollegium. Den Stab könne
man nun weiter geben an die Eltern: »Lassen Sie Ihre erwachsenen Kinder
nicht sitzen, sondern lassen Sie sie los und schicken sie sie hinaus, wenn
sie sich nicht bewegen wollen«, so sein Rat. Wie die Abiturienten des
Jahrgangs 1950, die auch zur Feierstunde eingeladen waren und die in jeder
Hinsicht Grenzen überwinden mussten, gelte
das für diese Generation. »Grenzen? Ich habe noch nie welche gesehen.
Ich habe gehört, dass sie in den Gedanken vieler Menschen existieren«,
damit zitierte Fischer den norwegischen Forscher Thor Heyerdahl,
verbunden mit der Forderung, Grenzen auch im Kopf zu überwinden.
Dank
an den Förderverein und die Lehrer sprach der Vorsitzende des
Schulelternrates, Wolfgang Glatzel, aus. Die
Schule sei nun aus, für immer, und in die Freude werde sich bald auch ein
bisschen Trauer mischen. Die Schüler seien durch ihre Ausbildung in der
Lage, mit neuen Notwendigkeiten und Zwängen fertig zu werden, sie hätten
gute Startbedingungen erhalten, mehr aber nicht. Für ihre erfolgreiche
Zukunft seien Visionen wichtig, Ziele, die sie in Aufbruchstimmung
versetzen und durch die sie sich auf die Zukunft konzentrieren könnten,
eine Glut unter der Asche, die Lebensenergie bringe. Für diese Visionen müsse
man vielleicht auch sehr hart arbeiten - dafür wünschte er ihnen Mut,
Geduld und Glück.
Gern
würden die Schüler der jüngeren Jahrgänge mit den Abiturienten
tauschen, meinte die Sprecherin
der Schülerschaft, Claudia Schlimme. Die Frage »Und was jetzt?« könne
jeder nur selbst entscheiden: »Es ist eure Zukunft, euer Traum, und man
kann alles schaffen, wenn man es will«, machte sie deutlich. Für den
weiteren Lebensweg sei es wichtig, sein Glück zu finden, dazu zählten
auch ein Beruf den man gern ausübe, und Leistungen, die man gerne bringe.
Die Übersetzung des Wortes »Abitur«
bedeute »Es wird fortgegangen, weggelaufen«, führte Hans-Helmut Kröger
aus, der die Ansprache für die Lehrerschaft hielt. Für die Schüler
bedeute dieser Tag den Abschied von Schule und Elternhaus, die gute, aber
manchmal ärgerliche Leitplanken gesetzt hätten mit ihren
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»Alte
Schule, altes Haus« - zu einem gemeinsamen, schon wehmütigen Lied traten
die Schüler des Abiturjahrgangs 2000 auf die Bühne.
Fotos: Kondziella |
ihren
Ermahnungen. Jetzt hätten die jungen Erwachsenen den Führerschein für
die Straße des Lebens, und wie nach der Auto-Fahrschule, sei es auch
jetzt so, dass sich das Können entwickele durch das Wagnis des Tuns. »Lernen
Sie Neues kennen, aber fahren Sie vorsichtig«, gab er ihnen mit auf den
Weg. Die erlangte Freiheit werde bald wieder beschnitten, man müsse sich
trotzdem Interessen für Zweckfreies erhalten, und man sollte einen Blick
erwerben für Menschen, die helfen könnten.
Die Umrisse der Zukunft seien
heute kaum erkennbar, und so müsse man auch das geistige Rüstzeug
sichten und eigene Grenzen erkennen. »Verheben Sie sich nicht«, warnte
Kröger, denn auch in der Begrenzung zeige sich der Meister. Das Rüstzeug,
das die Schule vermittelt habe, sei wohl nicht immer tauglich, aber die
Abiturienten sollten ihren aufrechten Gang behalten, auch wenn sie dadurch
Angriffsflächen böten. »Bleiben Sie Individuen, übernehmen Sie
Verantwortung für Ihre Mitmenschen, pflegen Sie Aus-und Herzensbildung, kümmern
Sie sich um Schwache«, so seine weiteren Wünsche. Die Jungen müssten
sich mit Problemen beschäftigen, die seine Generation ungelöst
hinterlassen werde. Deshalb sei es erforderlich, auch neue Systeme
politischen Denkens zu entwickeln. Im Laufe der Jahre werde man schließlich
selbst dazu kommen, hilfreiche Warnschilder setzen. »Laufen Sie vor dem
Berg der Aufgaben nicht weg«, bat er schließlich, und zum Ende seiner
Rede, für die die Schüler stehend applaudierten, gab er den Dank der
Lehrer weiter: Die Schüler hätten die Lehrer zu neuen Sichtweisen geführt,
und das sei gut so, denn Schule sei ein Geben und Nehmen. Wenn er sich
selbst bald aus dem Schuldienst ausscheide, habe er nur, frei nach
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Walther
von der Vogelweide, einen Wunsch: Er bitte um nichts als dass ihn die Schüler
mal wieder grüßten.
Für
den Jahrgang traten Melanie Wollenweber und André Hauschild ans
Rednerpult. Zu den Dingen, die die Mitschüler besonders geprägt hätten,
gehöre die gemeinsame Vorbereitung auf das Abitur, als persönliche und
als Gemeinschaftsleistung. Man habe nicht vermeiden können, sich ein beträchtliches
Maß an Wissen aneignen zu können, aber es wurden auch Werte darüber
hinaus vermittelt, beispielsweise zur sozialen Kompetenz: Die Schüler hätten
Geduld, Achtung und Respekt vor der Person und der Meinung anderer
erfahren, sie hätten Teamarbeit erfahren, die Schule war dafür ein
ideales Trainingsfeld. Schwierig, erklärten sie, war das finden des
Abi-Mottos »be good. be bad. just ABI«, man habe sich da an einen
Werbespot angelehnt. »Hauptsache, man tut etwas, egal, ob es gut oder
schlecht ist«, so ließe sich das Leitwort übersetzen. Das bedeute, sich
nicht von Tiefschlägen entmutigen zu lassen. Damit der Zusammenhalt vom
Abi 2000 weiterhin gepflegt wird, erhielt jeder Absolvent eine
Flaschenpost, Inhalt: Ort und Termin des nächstens Treffens in einigen
Jahren, damit alle sehen können, was aus den Träumen geworden ist.
Auf
Wunsch des Jahrgangs wurde auf einzelne Ehrungen verzichtet - es seien
ohnehin sehr viele, so der Schulleiter. Buchpreise für besondere
Leistungen in Chemie beziehungsweise in Deutsch wurden an Björn Loges, Maren
Strauch und Christian Töpfer vergeben.
Eine
neue Tradition, die vielleicht der Grundstock einer Ahnengalerie sein
kann, regte Jürgen Hüttig für den Ehemaligen-Verein VE²R
an: Er stiftete ein Jahrgangsfoto als Geschenk für alle.
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